Wie jedes Jahr im September bin ich mit einer kleinen, feinen Reisegruppe aus Deutschland zu Besuch in Russland gewesen. Erstes Ziel unserer Reise war die Familienlandsitzsiedlung Wedrussija. Das ist eine der ältesten und größten Siedlungen in Russland. In guten Zeiten leben hier 200 Familien. Wenn es hart auf hart kommt, der Schnee fällt und die Fahrwege unbrauchbar werden, minimiert sich die Zahl der Bewohner um mehr als die Hälfte.
Wir haben nur die guten, warmen, erntereichen Tage miterlebt und mit den Siedlern und so einigen Gästen von weit her ein kleines Festival gefeiert. Es sollte ein Fest für partnersuchende Singles sein: Zwei Herzen, eine Melodie – so hieß es. Der Festplatz war im Herzen von Wedrussija errichtet. Die Familien des Dorfes leben auf mindestens einem Hektar Land und verbringen sonst sehr viel Zeit allein in der Natur. Da war dieses Festival das Großereignis schlechthin. Viele Anwohner kamen, brachten ihre Kinder mit, halfen, tanzten mit, verkauften ihre selbstgemachten Erzeugnisse und freuten sich über die Besucher, die Musik und den Austausch.
Blumenkränze und lange Röcke gehören zu einem russischen Festgewand einfach dazu! Das mag vielleicht für westliche Augen kitschig anmuten, aber dort auf der matschigen Wiese kann man sich als Frau schon mal underdressed vorkommen, wenn man weder Rock noch Blumenkranz trägt.
Marie und ihre Mädchen : )
Beim Festival gab es ziemlich viele Seminare, angeleiteten Tanz und am Abend Konzerte. Einen ganzen Tag lang haben wir uns mit teambildenden Spielen beschäftigt. Unsere bunte Gruppe bestand aus uns Deutschen und verschiedenen Gästen vom Festival. Wir hatten einen Heidenspaß und haben trotz der Sprachbarriere wunderbare Begegnungen gehabt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat es an dem Tag in Strömen geregnet, wir wurden nass und stapften durch Matsch. Aber das Mistwetter spielt in meiner Erinnerung eine komplett untergeordnete Rolle. Viel mehr ist mir das Gefühl von Stolz und Verwunderung geblieben, als ich mich tatsächlich rückwärts nach hinten in die Arme meiner Gruppe habe fallen lassen. Und das wohlige Gemeinschaftsgefühl, das ich in unserem Team gespürt hatte, die viele Freude über unsere eigenen Leistungen oder die witzigen Aufgaben… hach, es war schon schön!
Ich liebe ja Spiele über alles. Deshalb war mein Lieblingsfestivaltag der Tag, an dem wir ein großes Turnier veranstaltet haben. Alle Besucher wurden in Gruppen aufgeteilt und haben knifflige Aufgaben bekommen. Die erste Aufgabe war, einen Namen, eine Hymne und ein Motto für unser Team zu finden. Es war herzerfrischend köstlich, den Tag mit unserer lustigen Kompanie zu verbringen und von Station zu Station durch Dick und Dünn mit allen zu gehen – immer mit unserem Lied auf den Lippen und jederzeit bereit unsere Parole zuschmettern!
Kein Fliegengewicht sein und es trotzdem wagen, sich in die Arme von einer bunten Menschengruppe fallen zu lassen? Check!
Eine der Aufgaben war es, dass sich jeder (!) der Gruppe in die Arme seiner Gemeinschaft fallen lässt. Alle anderen Spiele an dem Tag waren ganz ähnlich gestrickt. Es ging um Zusammenhalt, Vertrauen und das Überkommen von eigenen (sozialen) Ängsten.
Ich hab’s geliebt und war voller Adrenalin.
Die wedische Hochzeit. An einem der Festivalabende wurde die Hochzeit von Ljubomila und Radomir aus den Anastasia-Büchern nachgespielt. Alle Festivalteilnehmer waren automatisch Gäste der Hochzeit. Das Brautpaar waren zwei unserer Reisegäste, die somit ihre eigene Ehe noch einmal bestätigen konnten.
An einem der Festabende wurde die wedische Hochzeit aus den Anastasia-Büchern nachgespielt. Wir haben uns riesig gefreut, dass unser deutsches Paar für die Hauptrollen ausgewählt wurde. Hier begrüßen sie gerade ihre Hochzeitsgäste. Zugegebenermaßen war das ganze Spiel etwas kitschig und pathetisch. Aber was erwartet man sonst von Russland, wenn nicht dass sie das Herz auf der Zunge und in ihrem Tun haben?